Polnischer Ex-Minister: „Die Menschen spüren, dass Europa insgesamt die Kontrolle verloren hat“

499

Die europäischen Nachbarn staunten nicht schlecht, als im Herbst 2015 Deutschland seine Grenzen für Flüchtlinge öffnete. Merkels „Willkommen“ hat die Tore geöffnet und in den Medien wurde das Ganze mit donnerndem Applaus angenommen, kritische Berichterstattung war eine absolute Minderheit, die Medien haben der Regierung die Wege geebnet, statt ihrer Aufgabe nachzukommen. Könnte es vielleicht auch sein, dass Merkel mit ihrem leichtfertigen „Wir schaffen das“ einfach nur Günter Schabowski mit seinem „nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich“ (Grenzöffnung) nachahmen wollte?

Einer der Hauptgründe ist eine unglaubliche politische Fehlentscheidung verantwortlicher Personen am Abend des 12.09.2015, insbesondere von Angela Merkel und Thomas de Maizière. Merkel hat die Dimensionen ihres Handelns komplett unterschätzt, was durchaus passieren kann, ist aber von ihrem grandiosen Fehler keinen Millimeter abgerückt, was nicht passieren darf. Bis zum heutigen Tag verkauft sie landauf landab ihr Handeln als alternativlos, aus der humanitären Ausnahmesituation ist ein Dauerzustand entstanden, den Merkel bis heute nicht beendet hat. Deutschland hätte nun längst auf dem harten Weg lernen müssen, dass Asyl bzw. eigentlich Zuwanderung nicht so funktioniert, aber es geht einfach weiter. Selbst Österreich und Schweden haben eingelenkt, nur Deutschland betreibt weiterhin die Politik des Zuschauens und der moralisch bedingten Nicht-Handlungsfähigkeit.

Kritisch betrachtet der frühere polnische Außenminister Radoslaw Sikorski im Interview mit „Neue Zürcher Zeitung“ die Flüchtlingspolitik Merkels und der Folgen:

Und wurden Sie konsultiert?

Nun, in der Flüchtlingskrise wurden wir nicht konsultiert. Deutschland entschied sich damals, eine Million oder mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Das hatte natürlich auch politische Auswirkungen auf Polen, da unter dem Schengen-Regime Menschen, die sich in Deutschland aufhalten dürfen, auch das Recht haben, sich frei innerhalb des Schengen-Raums zu bewegen. Der Schengen-Raum, genauso wie die Euro-Zone, ist nicht das Eigentum eines einzelnen Landes – auch nicht des stärksten Landes. Er gehört allen seinen Mitgliedern. Und in beiden Fällen, Schengen-Raum wie Euro-Zone, kann das ganze System kollabieren, wenn die Regeln gebrochen werden. Deshalb sollten Entscheidungen, die diese Systeme betreffen, gemeinsam getroffen werden – selbstverständlich mit einer wichtigen Stimme für den grössten Anteilseigner. Aber geht es um das Kriterium der bilateralen Abstimmung, so wurde dieses nicht erfüllt.

Wir erleben einen Anstieg des Populismus nahezu überall in Europa. Kann diese Entwicklung allein der Migrationsthematik zugeschrieben werden?

Ich denke, dass die Migrationsproblematik einen bedeutenden Teil ausmacht. Die Menschen spürten, dass Europa nicht in der Lage war, seine Grenzen zu kontrollieren, dass Europa insgesamt die Kontrolle verlor. Und dass das wichtigste Land in Europa eine nach oben offene Zusage machte, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wie auch immer kommen. Ich hatte deutsche Politiker zuvor gewarnt: Tut das nicht. Ich habe sie gefragt: Wie viele könnt ihr aufnehmen? Hunderttausend? Okay. Eine Million? Möglicherweise. Zehn Millionen? Nein, das funktioniert nicht. Die Debatte darüber, wie viele Flüchtlinge ein Land verkraften kann, ist eine legitime Diskussion – eine Diskussion, die wir vor der Entscheidung hätten führen sollen. Wir müssen mehr tun, um zu kontrollieren, wer hier lebt. Warum? Weil ein Wohlfahrtsstaat, der seine Grenzen öffnet, das schlichtweg nicht aushält. Interview weiterlesen

0 0 Bewertungen
Artikel Bewertung
Folgt Politikstube auch auf: Telegram

1 Kommentar
Inline Feedbacks
View all comments