Gottfried Curio: Herr Bundestagspräsident! Was Sie sagen ist falsch und verheerend!

3248

Zwischen den Jahren – und inmitten anderer staatstragender Ansprachen – sieht sich auch Bundestagsvizepräsident Schäuble, zweiter Mann im Staate, berufen, Grundsätzliches zu sagen, und zwar zu seinem Verständnis der Identität der deutschen Gesellschaft. Für seine Botschaft wählte er die linksextreme Berliner ‚taz‘ – bezeichnend für eine CDU, die damit wieder einmal ihre eigene beliebig fluktuierende Identität bekundet. Vielleicht ist es ja aber auch nur eine Frage des „Zusammenhalts“, sich so mit Merkels gesellschafts-sprengendem Bevölkerungsexperiment bei linken Gazetten anzubiedern.

Schon mit seinem Eingangsstatement will der Text den Leser in die Irre führen: „Wer in einer Gesellschaft die Identitätsfrage stellt, fragt nach dem Zusammenhalt.“ Angesichts all der durch die Migrationspolitik hervorgerufenen Fehlentwicklungen bei Sozialsystemen, innerer Sicherheit, Bildung und Demographie haben viele Bürger Sorgen um die Sicherung unseres Gesellschafts- und Rechtssystems, unserer finanziellen Autonomie und unserer sozialen Wohlfahrt. Gegen diese nur allzu berechtigten Sorgen der deutschen Bevölkerung nach Wahrung ihrer über Jahrhunderte gewachsenen nationalen und kulturellen Identität ruft er den einschlägigen framing-Begriff aller Schönredner der Migrationspolitik auf: den sog. ‚Zusammenhalt‘. Dies soll von vornherein eine Debattenverschiebung bewirken und Kritiker zu Problemfällen machen: wer diesen ‚Zusammenhalt‘, angesichts egal welcher Probleme auch immer, nicht um jeden Preis als Priorität behandelt, der ist wohl das eigentliche Problem; so soll es dieser eigens zur Oppositionsbekämpfung erfundene Un-Begriff suggerieren. Wer jetzt noch weiter stört, auf den dürfte Herrn Haldenwangs Regierungsschutz (früher bekannt als Verfassungsschutz) ein Auge haben.

Schäuble warnt vor einem Verlust der rechten „Balance“ beim Zugehörigkeitsgefühl – unterschlägt aber, dass es seine CDU war, die das gesellschaftliche Gleichgewicht durch eine grenzenlose Zuwanderungspolitik mutwillig gekippt hat. Er meint zu spüren, dass Gesellschaften unter den Bedingungen der Globalisierung „heterogener, unübersichtlicher und konfliktreicher werden“ – die ‚werden‘ aber nicht konfliktreicher, sondern sie wurden konfliktreich gemacht, und zwar von Herrn Schäubles Kanzlerin. Nach der ursächlichen politischen Weichenstellung aber – nach der soll nicht gefragt werden; schon gar nicht danach, ob und wie dies mit einer alternativen Politik rückgängig zu machen sei; nein – vielmehr soll die ganze Merkel-Politik als zwangsläufige geschichtliche Entwicklung erscheinen (Tenor: ‚das ist eben die Globalisierung‘, man erinnert sich an Merkels ‚Grenzen kann man im 21. Jahrhundert eben nicht mehr sichern‘); als ein Strom, auf dem man entweder mitschwimmt oder der einen fortreißt. Hier wird die Mär der Alternativlosigkeit von Merkels Politik fortgesponnen – was natürlich schon ein flüchtiger Blick ins nahe europäische Ausland (etwa die Visegrad-Länder) widerlegt.

Jenen, die festhalten wollen an einer bewährten gesellschaftlichen Ordnung, an einer historisch gewachsenen Identität, an einem Staat, der sein Handeln an Rechtsstaatlichkeit und nationalen Interessen orientiert, – denen wird in infamer Weise „Verachtung“ und ein „Überlegenheitsanspruch“ unterstellt. Vor allem die identitätsbewussten Ostdeutschen werden beleidigt: „Mancher pflegt geradezu den eigenen Opferstatus.“ Eingeleitet wird dies durch die inzwischen schon traditionelle ‚der Ossi muss zum Psychiater‘ – Nummer all derer, die sich über das ‚Pack‘ aufregen; dieses ‚Pack‘, das wohl eben nur „Kränkungen“ und „Mangel an Anerkennung“ erlitten hat; merke: wer sich nicht bedingungslos (‚alternativlos‘ …) der Merkel-Politik fügt, hat eine posttraumatische Belastungsstörung und gehört auf den Diwan. Dass den Ostdeutschen vielleicht einfach die Regierungspolitik nicht passt, sie diese falsch und verheerend finden, sie auf schnellstmögliche Änderung durch eine alternative Politik aus sind – all dies soll durch diese bekannte arrogante Pathologisierungsstrategie verdeckt werden. Die Ostdeutschen sollten doch, so wird ihnen in wohlwollender (Schein-)Umarmung dann noch mitgeteilt, lieber „da¬rauf verweisen, den Menschen im Westen eine wertvolle Erfahrung vorauszuhaben: die Anpassung an massive gesellschaftliche Umwälzungen“. Dass die ehemaligen DDR-Bürger sich aber nicht dem System angepasst hatten, sondern vielmehr gerade eine gesellschaftliche Umwälzung gegen ihre Regierung herbeigeführt haben – das soll durch die Umdeutung und Falschdarstellung der friedlichen Revolution vergessen gemacht werden (stattdessen wird scheinheilig der fake-Begriff einer geleisteten ‚Anpassung‘ anempfohlen).

Jenen gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie er sich in historisch gewachsenen Nationen finden lässt, tut Schäuble als „eine der wirkmächtigsten Fik¬tionen von Zugehörigkeit“ ab: das deutsche Volk – eigentlich Souverän des Staates – wird vom zweiten Mann dieses Staates kurzerhand zur bloßen Fiktion dekonstruiert, um dann dazu überzuleiten, dass Identitäten formbar seien: das Nationalgefühl sei erst noch „zu weben“; es brauche jetzt eine „Erzählung, eine Aufgabe“. „Zu weben“, „Aufgabe“ – diese futurischen Begriffe sollen suggerieren, der Entwurf einer Nationalidentität stünde nach den Verheerungen durch die Merkelsche Zuwanderungspolitik tatsächlich jetzt erst an; in Kenntnis der Abschottungs- und Segregationstendenzen der muslimischen Zuwanderer sowie der no-go areas der Clan-geprägten Stadtviertel, werden wir gleich aber noch ein wenig ernst an die Hand genommen, dass bei Identifikationsangeboten an solche ‚Neubürger‘ dann auch daran gedacht werden müsse, dass diese „nicht selten aus Gemeinschaften mit starker eigener Identität zu uns kommen“. Und angesichts all der Zustände von bildungsfernen Migranten, die dabei sind, sich weit überproportional in die Demographie auf deutschem Boden einzuschreiben, angesichts von Zuwandererkindern, die schlecht Deutsch sprechen, und einer verheerenden Zuwanderer-Kriminalitätsstatistik, angesichts einer verbreiteten Gesinnung eines fundamentalen Bezugs auf den Koran mit seinen streng verfassungsfeindlichen Gewaltaufrufen und freiheitsfeindlichen Gesellschaftsvorstellungen – angesichts all der integrationsunwilligen Neuankömmlinge „mit starker eigener Identität“ wird uns in entwaffnender Selbstaufgabe auch gleich noch zugerufen: unser Ziel müsse es deshalb sein, dass „niemand seine eigene Identität, seine kulturellen Wurzeln aufgeben“ müsse (eine Vorwegnahme sowieso scheiternder Integration); unsere Rolle aber – die Rolle derer, die schon länger hier sind – wird schon ganz klar aufgezeigt: wir dürfen nämlich doch bitte „offen genug“ sein, „um uns als Teil eines Gemeinwesens zu fühlen“. Man kann sich einer integrationspolitischen Träne kaum erwehren – soviel Zusammenhalt war selten.

Sollte der Leser noch im Zweifel sein, ob er sich damit abfinden soll, dass es mit deutscher Identität nicht mehr weit her ist (und zeitgemäß sowieso nicht) und deren Verlust daher auch nichts Beklagenswertes, so ist nun aber auch noch die Aufzeigung einer besseren, neuen, höheren ‚Identität‘ im Angebot. Auf der Suche nach einer Platzhalter-Identität, die das „Bedürfnis nach Zugehörigkeit“ befriedigen kann, hat Schäuble nämlich eine „europäische Identität“ als „Bekenntnisidentität“ ausgemacht; man müsse nur, „Europa als dieses identitätsstiftende Gemeinschaftsprojekt sichtbar und begreifbar“ machen. Nun, das sollte doch fast nur noch eine Fußnote in diesem neuen Framing-Handbuch sein. Denn nicht die Deutschen und ihre Eigenart, immerhin Gegenstand des Amtseides, sollen nach Schäuble eben jetzt Ausgangspunkt und Zweck der Politik sein, sondern das Ziel heißt europäische Einigung und Globalisierung. Um diese ’neue Identität‘ zu festigen, braucht es also diese „Erzählung“, das also ist die „Aufgabe.“ Im Klartext heißt das: Es werden Multikultimärchen erzählt, Merkel sucht sich Integrationsaufgaben für die Deutschen aus, und das Ganze wird dann – wenn wir gefälligst nur offen genug sind – schon irgendwie identitätsstiftend wirken. Wie vorausschauend auch, dass wir erfahren: „Konflikte“ – gelte es „auszuhalten“. Um welche „Gemeinschaften“ und um welche „Konflikte“ es sich handelt, zeigt aber eben am klarsten ein Blick in die polizeilichen Kriminalstatistiken und in die verwahrlosten Schulen einer zugrundegehenden ehemaligen Leistungs- und Kulturnation.

Was für ein Schauspiel, wenn der zweite Mann im Staate sich anschickt – mittels einer Anhäufung trügerischer Worthülsen –, eben diesen Staat begrifflich zu liquidieren.

Quelle: https://taz.de/Identitaet-und-Demokratie/!5648690/

0 0 Bewertungen
Artikel Bewertung
Folgt Politikstube auch auf: Telegram

4 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments