Die Attacke auf einen Polizisten in der Silvesternacht in Leipzig hat Entsetzen hervorgerufen. «Diese Tat zeigt: Menschenverachtende Gewalt geht auch von Linksextremisten aus», teilte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag mit. Zu den Tätern hatten die Ermittler am Donnerstag noch keine Hinweise. Die Ermittlungen wegen versuchten Mordes dauerten an, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig.
Der Polizist war in der Silvesternacht im linksalternativen Leipziger Stadtteil Connewitz schwer verletzt worden. Mehrere Menschen hätten Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf Einsatzkräfte geworfen, hieß es von der Polizei. Dem 38-Jährigen sei der Helm vom Kopf gerissen worden, bevor er attackiert worden sei, verlautete aus Polizeikreisen. Er verlor das Bewusstsein und musste nach Angaben der Polizei notoperiert werden. Nähere Hintergründe zum Ablauf der Tat nannten die Ermittler zunächst nicht. Zum Zustand des Beamten machte eine Polizeisprecherin am Donnerstag auf Anfrage keine Angaben.
Zehn Menschen wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft nach der Silvesternacht festgenommen, darunter zwei Frauen. Den meisten von ihnen wird vorgeworfen, Polizisten tätlich angegriffen zu haben, wie der Sprecher der Behörde, Ricardo Schulz, sagte. Nach bisherigen Erkenntnissen besteht demnach kein Zusammenhang zwischen den Festgenommenen und dem «massiven Angriff» auf den Polizisten.
Im Stadtteil Connewitz kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Leipzig sei deutschlandweit eine Hochburg linksextremistischer Straftäter, sagte Tom Bernhardt vom Landeskriminalamt (LKA) Sachsen. Die Gewalttaten nähmen zu. Während laut LKA im ersten Halbjahr 2018 in Sachsen 361 politisch motivierte Straftaten registriert wurden, waren es in der ersten Hälfte ein Jahr später 600. Allein in Leipzig zählten die Ermittler im vergangenen Jahr 357 politisch links motivierte Straftaten, 135 mehr als im Vorjahr. Bernhardt betonte, dass das Polizeiliche Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum (PTAZ) nicht gegen Linke, sondern gegen Straftäter ermittle.
Täter werden selten gefasst. «Die Szene ist clever und extrem klandestin (heimlich) in ihrer Vorgehensweise», so Bernhardt. In den vergangenen Monaten waren in Leipzig immer wieder Autos und Baumaschinen in Brand gesetzt worden. Im Herbst hatten Unbekannte – die Ermittler vermuten Linksextremisten – eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung überfallen und mit Fäusten traktiert. Einen Zusammenhang zu den Silvester-Vorfällen sah Staatsanwalt Schulz jedoch zunächst nicht. Die Taten hätten sich gegen Gentrifizierung gerichtet, die Attacke in Connewitz richtete sich direkt gegen die Polizei. Zusammenhänge würden aber geprüft.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verurteilte die Attacke. «Das ist auch kein Kavaliersdelikt, sondern ein klarer Angriff auf unsere Gesellschaft», erklärte der Vizevorsitzende Jörg Radek. «Wir fordern, dass die Justiz mit aller Konsequenz gegen die mutmaßlichen Täter vorgeht und damit ein Signal für den demokratischen Einsatz der Polizei setzt.»
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, fühlt sich an die Anfänge der RAF vor rund 50 Jahren erinnert: «Diese Attacken offenbaren klar die Handschrift linksextremer Kreise und erinnern in Zielsetzung und Ausführung fatal an die Ausbildung linksterroristischer Strukturen in den 70er Jahren.»
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) kündigte an, die Straftaten «mit aller Härte des Rechtsstaates» zu verfolgen. Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte den «heftigen kriminellen Gewaltausbruch».
Politiker von CDU, SPD und AfD hatten zum Teil heftige Kritik an Politikern der Linkspartei geübt. Diese hatten der Polizei vorgeworfen, sie habe die Feiernden provoziert. Die sächsische Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hatte auf Twitter in der Silvesternacht geschrieben: «Uff. Cops raus aus Connewitz gewinnt nach diesem Jahreswechsel ’ne neue Bedeutung. Ekelhafte Polizeigewalt, überrennen Unbeteiligter, wirre Einsatzmanöver, kalkulierte Provokation.» Am Donnerstag sagte die Connewitzer Abgeordnete der Deutschen Presse-Agentur: «Auf Twitter habe ich mich wohl unglücklich geäußert.» Das sei der Aufregung vor Ort geschuldet gewesen. Sie forderte eine deeskalierende Strategie der Polizei. Die Landesparteispitze der Linken verurteilte die Angriffe in Leipzig am Donnerstag entschieden.