Politwissenschaftler: Merkels Grenzöffnung rettete Europa – Deutschland diente als Überlaufbecken für Balkanroute

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Anfang September 2015 ebnete Angela Merkel für tausende, wartende Versorgungssuchende in Ungarn den Weg nach Deutschland, der humanitäre Imperativ war geboren und wurde in den Medien mit donnerndem Applaus angenommen. In Erinnerung bleiben die Bilder und Berichte: die Versorgungssuchenden weigerten sich in Flüchtlingsheime auf der Balkanroute zu gehen, belagerten gezielt Bahnhöfe und erzwangen die Weiterfahrt mit Gewalt, zudem wurden Zäune aufgeschnitten und Polizisten attackiert. Wasser und Nahrung wurden provokativ weggeworfen. Sie drangen gewaltsam in Züge ein, warfen sich auf Gleise, oder okkupierten Bahnstationen. Lauthals forderten die Wirtschaftsflüchtlinge in Ungarn ihre Weiterreise nach Germany und erzwangen ihre Einreise nach Deutschland. Das Hilfsangebot führte dann zu Hunderttausenden Migranten, und obwohl man schlicht die Kontrolle verloren hatte, wurde die „Willkommenskultur“ propagiert und gleichzeitig Kritiker mundtot gemacht.

Hat Merkel einen Fehler im September 2015 gemacht, als sie die Flüchtlinge von Ungarn nach Deutschland einreisen ließ?

Ja, werden die Kritiker und die Überdrüssigen der Willkommenskultur sagen, denn sie hat aus dieser humanitären Ausnahmesituation einen Dauerzustand gemacht und diesen bis heute nicht beendet, sie hat Deutschland Probleme und Lasten aufgebürdet, die innere Sicherheit gefährdet bzw. geopfert, die Gesellschaft gespaltet und dem Land eine steigende Kriminalität beschert.

Nein, sagt der Politwissenschaftler Herfried Münkler im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung:

Die Osteuropäer durften sich wegen ihres Widerspruchs in der Flüchtlingspolitik moralische Standpauken anhören. War das klug und zurückhaltend?

Frau Merkel hätte die Grenze im September 2015 dichtmachen und auf die Dublin-III-Verordnung verweisen können. Dann hätten sich die Menschen südöstlich von Ungarn gestaut, in einem Gebiet, auf dem kurz zuvor erst ein Krieg mühsam beendet worden war. Indem die Kanzlerin das Territorium der Bundesrepublik als Überlaufbecken für die Balkanroute eingerichtet hat, hat sie Europa gerettet.

Aber doch nur für einen kurzen Moment. Die Grenzöffnung hat anschliessend als gewaltiger Pull-Faktor gewirkt.

Es gab das Konzept eines Dreischritts. Erstens: Die Leute kommen nach Deutschland. Zweitens: Die europäischen Grenzen werden gesichert; das ist relativ früh verhandelt worden, hat aber lange gedauert, weil die geopolitische Funktion der Türkei nicht gleich allen klar war. Drittens: Die Flüchtlinge werden in Europa verteilt. Weiterlesen

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