Migranten kaperten Handelsschiff – Rheinische Post-Kommentar: Eher ein Akt der Verzweiflung

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Handelsschiff El Hiblu 1

Das Handelsschiff „El Hiblu 1“ hatte eine Gruppe von Migranten vor der libyschen Küste „gerettet“, als die Migranten erkannten, dass sie zu den Libyern zurückkehren würden, rebellierten und bedrohten sie den Kommandanten und die Besatzung, kaperten das Schiff und erzwangen eine Kursänderung in die gewünschte Richtung, schließlich hatte man für die Passage bezahlt. Matteo Salvini spricht vom ersten Akt der Piraterie auf hoher See. Der Duden definiert Piraterie folgendermaßen: gewaltsame Übernahme des Kommandos über ein Schiff, Flugzeug, um eine Kursänderung zu erzwingen, eine bestimmte Forderung durchzusetzen.

Nach der Meldung des ersten Kaperns eines Handelsschiffes im Mittelmeer, folgen sogleich die Relativierungen und das Verständnis über das skrupellose Vorgehen der Migranten, die verzweifelt keinen anderen Ausweg mehr sahen als den Tanker zu kapern, hingegen die extrem gefährliche Situation der Crew (Geiseln) des Handelsschiffes komplett ausgeblendet wird bzw. keine Rolle spielt. Piraterie im Mittelmeer, solch ein krimineller Vorgang könnte zur Nachahmung dienen, bei einigen Kapitänen von Handelsschiffen womöglich ein Nachdenken auslösen, ob sie dieses Risiko eingehen wollen.

Kommentar der Rheinischen Post:

Die Flüchtlingskrise im Mittelmeer ist wieder um eine Variante reicher. Weil Migranten aus Afrika nicht in das Bürgerkriegsland Libyen zurück wollten, wo ihnen womöglich Versklavung und Folter drohen, haben sie kurzerhand einen türkischen Frachter gekapert, der die Schiffbrüchigen aufgenommen hatte. Prompt spricht Italiens rechtspopulistischer Innenminister von Piraterie. Angebrachter wäre es wohl, von einem Akt der Verzweiflung zu sprechen. Es mögen Schlepper hinter der Aktion stehen. Aber verständlich ist es schon, dass die geretteten Migranten nicht in ein Land wie Libyen zurückgebracht werden wollten. Die Marine von Malta hat richtig gehandelt, indem sie den türkischen Frachter befreite und die Migranten in einen maltesischen Hafen brachte.

Jetzt müssen auch andere europäische Länder – zum Beispiel Deutschland – die Migranten aufnehmen. Malta mit dem Problem allein zu lassen, wäre schäbig. Das Bürgerkriegsland Libyen ist aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden. Zu Unrecht. Die EU muss mehr Diplomatie, internationalen Druck und Aufbauhilfe aufbieten, um dem Chaos dort Herr zu werden.

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