„Hänsel und Gretel“ sind jetzt Afrikaner

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Groß und Klein kennen das bekannte Märchen „Hänsel und Gretel“ der Brüder Grimm, ob als  Film, Theaterstück oder Hörbuch. Klassikliebhaber kennen die spätromantische Oper in drei Akten von Engelbert Humperdinck mit dem Libretto seiner Schwester Adelheid Wette. Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow, der seit dem 23. August 2017 in Moskau unter Hausarrest gestellt ist, beschäftigte sich mit der spätromantischen Märchenoper und inszenierte eine eigenwillige Interpretation von „Hänsel und Gretel“ für die Staatsoper Stuttgart, sozusagen ein Kulturschock. Zwei Kinder aus Ruanda wurden als Schauspieler gecastet für den Film. Politischer Tenor: Soziales Elend in Afrika. So wie die Mutter in der Oper die hungrigen Kinder in den Wald schickt, so flüchten die ruandischen Kinder jetzt nach Europa und verirren sich dort, das Knusperhäuschen steht im Schwaben.

Zu Serebrennikows „Hänsel und Gretel“ an der Staatsoper Stuttgart schreibt Christian Gampert für den Sender SWR2 folgenden Kommentar am 23.10.2017:

Kirill Serebrennikow ist nach Afrika gefahren, ins gerade dem Genozid entronnene Ruanda und hat dort einen seltsamen Film gedreht, der jetzt zum Hauptstrang der Inszenierung wurde. Hänsel und Gretel, das sind zwei kitschig in die Kamera lächelnde schwarze Kinderlein mit großen, fragenden Augen, als wollte Serebrennikow einen Werbestreifen für die Caritas oder „SOS Kinderdorf“ drehen – und nicht die Vorlage für eine Oper. Was musikalisch stattfindet, ist die Versüßlichung sozialen Elends durch Gesang. Filmisch und dramaturgisch aber handelt es sich um die Idyllisierung Afrikas durch Handlungs-Elemente der Humperdinck-Oper.

Denn im Film ist nun auch die böse Mutter natürlich eine Schwarze, die mit der Rute hinter hungrigen Kindern herläuft, die nicht arbeiten wollen. Hänsel spielt Fußball und Gretel bewegt sich, als wolle sie Model werden. Man rennt wild durch afrikanische Landschaft, dann durch die ruandische Hauptstadt Kigali, schließlich landet man auf dem Stuttgarter Flughafen, wo der gesamte Bombast der Warenwelt auf die armen Kinder einstürzt, vor allem gibt es da so viele Süßigkeiten.

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