Gastbeitrag: Kommt nach der AfD der Bumerang?

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Wer in den aktuellen Debatten über das Kratzen an der Oberfläche und tagesaktuelle Meinungen hinausgegangen ist, dem wird nicht entgangen sein, dass kritische Stimmen die Erfolge von Trump, Brexit, AfD und weiteren Schreckensgespenstern der medialen Panikmache u. a. auch auf das Handeln der etablierten Parteien, die Reaktionen der Medien und derer Protagonisten zurückführen.

Thomas Oppermann, Sigmar Gabriel und Martin Schulz etwa sehen im Ausbleiben sozialstaatlicher Programmen größeren Umfangs eine Mitschuld von Angela Merkel am Erstarken der AfD. Laut Sigmar Gabriel hätte insbesondere beim Wohnungsbau investiert werden müssen. Pro Jahr 400.000 neue Wohnungen und die Menschen wären so satt gewesen, dass sie Martin Schulz wählen würden – und die Unterbringung der vielen neuen Mitbürger wäre dann auch kein Thema mehr gewesen. So die Argumentation der SPD, die sicherlich auch anerkennt, dass die Wohnungspreise und -knappheit aktuell eine effektive Hürde für die EU-Binnenmigration darstellen, ohne die Lederhosen in München bald anmuten würden wie ein Transvestit auf der schwäbischen Alb – exotisch. Klarer ist die Argumentation schon bei Horst Seehofer, demzufolge Merkels Asylpolitik eine Mitverursacher des Erstarkens der AfD ist – was in meinen Augen deutlich realistischer klingt.

Doch die Theoriebildung ist bereits deutlich weiter vorangeschritten, als diese Schuldzuweisungen vermuten lassen. Bei Horst Seehofer klingt ein wesentlicher Aspekt bereits an:  die Menschen wählen  AfD, weil sie keine Alternative in der politischen Landschaft haben. Das Wörtchen „Alternativlosigkeit“ ist nicht umsonst in aller Munde. Früher hätte man CDU gewählt. Seitdem Frau Merkel sich auf die Seite der Weltverbesserer geschlagen hat gibt es nun kein Halten mehr – nicht für die Zuwanderung – und auch nicht mehr für das Erstarken einer Alternative.

Neben der politischen Alternativlosigkeit ist selbstverständlich die Enttäuschung der Menschen zu nennen. Das seiner parlamentarischen Interessenvertretung beraubte frühere Klientel der SPD und weite Teile der Mittelschicht klagen über sich verschlechternde Lebensbedingungen, Mietwucher, Dumpinglöhne, Mindestlohn und viele andere mehr. Hinzu kommen gebrochene Versprechen der Regierungen und der EU und andere politische Enttäuschungsquellen von außerordentlicher Virulenz – etwa die Schulden anderer Mitgliedsstaaten oder auch die Bankenrettung.

Dass gerade in dieser Zeit, in der die Enttäuschung um sich greift, Millionen von neuen Mitbürgern ins Land gelassen und geholt werden, die mittel- bis langfristig nur Kosten und offensichtlich auch zunehmend „Probleme“ verursachen, kann nur in der Vorstellungswelt einiger ehemaliger EU-Politiker und sonstiger Querdenker zu Konformität mit dem Denken und Handeln der Politelite führen. Das Handeln der Regierung im Kontext der sogenannten Flüchtlingskrise lässt sich dann trefflich als Tüpfelchen auf dem i fassen: mit einem Bruch des Grundgesetzes wird alles losgetreten und spinnt sich dann wie ein roter, unübersehbarer Faden weiter bis hin zum demnächst wieder aktuellen Thema Familiennachzug, der ja eigentlich nur für solche Asylberechtigte möglich sein soll, die den dann gemeinsamen Lebensunterhalt selbst bestreiten können (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Eine Politik, die einer zunehmende Zahl von brutalen Vergewaltigungen mit gegebenenfalls initiierten Gesetzesverschärfungen begegnen will und darauf keine andere Antwort weiß, wird von breiten Teilen der Bevölkerung inzwischen als sehr enttäuschend empfunden – ganz zu schweigen davon, dass die Reaktionen der Regierenden auf die wachsenden Unruhen z. B. in Form des NetzDG massive Kritik von Stimmen aus der tiefsten Mitte der Gesellschaft bis hin zur UNO hervorrufen. Kurzum: Enttäuschungsquellen gibt es genug, von sozialen, ökonomischen und ökologischen Problemen über die fehlende Repräsentanz von Bürgerinteressen und die allen Tatsachen enthobenen Meinungsäußerungen der politischen Eliten (Fluchtursachen in Afrika bekämpfen; Flüchtlinge nehmen niemand etwas weg) bis hin zu Problemen der inneren Sicherheit, Phänomenen des nachgiebigen und teils auch bevorzugenden Umgangs mit Migranten (Bsp. Kindergartenplätze), Verlust an Freiheit und Identifikation und vielem mehr.

Hinzu kommt natürlich noch die einseitige, oftmals hysterische Berichterstattung der Leitmedien, die zwar nicht der Regierung unterstellt sind, deren vorauseilender Gehorsam allerdings durchaus auf gewisse Verbindlichkeiten schließen lässt. Man denke nur an Informationsquellen, Fördergelder oder etwa rechtliche Risiken. Die mediale Berichterstattung kann durchaus als wesentlicher Faktor beim Erstarken der AfD angenommen werden – und selbiges gilt ebenso für den Wahlsieg Donald Trumps oder das Brexit-Votum.

Der Publizist und Philosoph Alexander Grau beschreibt eins der in diesem Kontext relevanten Phänomene in seinem Artikel „Der Anti-Trumpsche-Hysterie-Effekt. Die direkte Betroffenheit von insbesondere Ende 2015 massiv auftretenden diffamierenden Wertungen (vgl. Spiegel: helles Deutschland / dunkles Deutschland) würde ich durchaus als gewichtiger annehmen, aber der abstoßende Effekt der medialen Hysterie ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Man möchte sich eben auch ungern auf die Seite derer stellen, die Frauke Petry Tötungsabsichten wegen des vermeintlichen Gebrauchs von Schusswaffen an der Grenze unterstellen, eine selten dagewesene hysterische Debatte befeuern und gleichzeitig d´accord damit sind und sich vornehm darüber ausschweigen, dass Schusswaffengebrauch an der türkischen Grenze zu Syrien inzwischen gängige Praxis ist und dort auch „unsere“ lange erhoffte Mauer gebaut wurde. Als Dritten im Bunde würde ich persönlich den Faktor Zweifel hinzuziehen. Was uns in den letzten Jahren medial als objektive Wahrheit verkauft wurde (die syrischen Akademiker; die Unwirksamkeit von Zäunen etc.) hat sich allzu oft als Unwahrheit entpuppt – und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Oder vielleicht besser: dessen Standpunkte wird man fortan kritischer begutachten und dabei wohlmöglich unsägliches zutage fördern.

Die AfD erfährt mit ihrer Programmatik viel Zuspruch aus der Bevölkerung – und selbiger kommt nicht von ungefähr. Alternativlosigkeit, Enttäuschung und eine mediale Schlammschlacht sonders gleichen haben aus dem eben noch beschaulichen Land der Dichter, Denker und Sozialdemokraten einen politischen Hexenkessel werden lassen, der auf aufblühende demokratische Strukturen und spannende Kontroversen verweist.

Wie sicherlich bereits deutlich geworden sehe ich persönlich diese Entwicklung äußerst positiv. Zwar bereiten einzelne Äußerungen eines Herr Gauland oder einer Frau von Storch durchaus Bedenken. Selbige sind allerdings weniger inhaltlicher Natur, sondern haben vielmehr die Machtoptionen der Partei im Blick. Aufmerksamkeit erregen mag als Motiv zwar durchaus Sinn machen und es tut auch niemandem weh, ein wenig Stolz und Mitgefühl für seinen Opa und dessen Leistungen an der Ostfront zu empfinden, das waren harte Männer und treue Kameraden. Ob dieses Verhalten parteipolitisch Sinn macht, wenn man eine Mehrheit generieren will, möchte ich aber durchaus anzweifeln.

Für mich persönlich hat sich die gesamte politische Landschaft mit 2015 in eine seltsam paradoxe Sinnlosigkeit verwandelt. Frau Merkel ist alternativlos geworden, sie wird so oder so wieder Kanzlerin. Politische Gruppierungen handeln wider der Interessen ihrer Klientel (Linksfraktionen). Und Parteien erstarken durch das Handeln anderer – und hemmen sich dabei selbst und auf teils durchaus eigentümliche Art und Weise am Durchbruch.

Die kommenden Jahre betreffend dürfen wir sehr gespannt sein. Ein Erstarken der Linksfraktionen auf Basis zugezogener Wählerstimmen zu beobachten würde mich nicht verwundern. Sie haben sich zukunftsweisend als zuverlässige Advokaten dieses Klientels positioniert. Wie wir bei Frau Merkel oder Herr Obama vielleicht gelernt haben erzeugen Bewegungen quasi zwangsläufig Gegenbewegungen. Mit dieser Tendenz gerechnet zu haben wäre ein Husarenstück der Schlepperindustrie, der EU-Nationalisten und Volkserzieher und das endgültige Ende dessen, was man üblicherweise als „deutsche Kultur“ bezeichnet. Die AfD ihr eigener Sargnagel.

Die Veränderungen der sozialstrukturellen Zusammensetzung der Wählerschaft und die Virulenz sozialer Probleme im Land sollte die AfD jedenfalls nicht aus dem Auge verlieren, wenn sie dem Anspruch nach ja Realpolitik betreiben will. Will sie nicht zum Steigbügelhalter für zukünftige Merkel-Regierungen verkommen wird sie tief im Land ihrer Feinde wildern müssen. Sollte sie dabei versagen, wäre ihr Erstarken durchaus verdächtig gewesen.

Ein Gastbeitrag von Lars B.

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