Barmherziger Sigmar Gabriel macht Kaisers Tengelmann zum Wahlkampfthema

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Gestern hatte ich zum ersten Mal den Eindruck, als wäre Sigmar Gabriel stolz darauf etwas geleistet zu haben, womit er auch außerhalb seiner Partei punkten kann. Fast den Tränen nahe vor Selbstbeweihräucherung und stolz endlich mal etwas produktives in seiner langjährigen Berufspolitikerkarriere geleistet zu haben, schwadronierte er zusammen mit dem Grund der vielen Firmenabwanderungen ins Ausland, Frank Bsirske, dass nun 15.000 Menschen in Ruhe Weihnachten feiern können, da sie jetzt eine siebenjährige Planungssicherheit haben und sich an Weihnachten nicht grämen brauchen, dass es nur Ravioli und Thunfisch aus der Dose gibt. Er zählte die Berufe der Geringverdiener auf, der Bäcker, Metzger, Verkäufer um die er sich „persönlich“ so sehr gekümmert hat. Selber von nichts Ahnung, immer schöne Abgeordneten- und Ministerdiäten kassieren, aber vom „kleinen Mann“ reden – mehr Heuchelei geht nicht.

Man kann froh sein, dass das Kind vom barmherzigen Sigmar nicht krank war, sonst hätte er nämlich zu Hause bleiben müssen, da seine Frau auch berufstätig ist und er nun mal Schwerpunkte setzt.  Glück gehabt Tengelmann, auch dass Gerhard Schröder gerade von seinen Sponsoren Nord-Stream und Gazprom freigestellt wurde.

Komisch, der barmherzige Sigmar hat die ganze Zeit immer darüber palavert, wer nun alles gerettet ist, wem es besser geht, aber sonst gar nichts. Er hat über 15.000 gerettete Arbeitsplätze gefaselt, darüber wie glücklich er ist und er und Frank Bsirske hatten ein regelrechtes um die Wette lobhudeln und dabei den anderen hervorheben. Auf fachliche und inhaltliche Fragen ging Sigmar Gabriel zu keiner Zeit ein, lediglich auf die Frage nach staatlichen Förderungen, welches er mit einem arroganten und zu selbstbewussten natürlich nicht kommentierte. Da wusste sich aber jemand in Szene zu setzen.

Komisch, dass selbst die, die Frank Bsirskes heuchlerischer Verdi zujubeln, selbst die größte Zweifel anmelden. Der Betriebsratsvorsitzende von der Belegschaft Kaiser’s Tengelmann in Berlin, Volker Bohne, zweifelt selbst die Einigung an. Erstens hat Rewe noch nicht die Klage zurückgezogen, zweitens greift die Ministererlaubnis immer noch nicht in vollem Umfang. Und das unfassbare Highlight so laut des Betriebsratsvorsitzenden, der es ja wissen muss:  Da Rewe und Edeka die Märkte in Berlin und Bayern unter sich aufteilen, sollte da auch die Belegschaft vorher informiert werden. Laut Volker Bohne sind aber weder Betriebsräte noch Belegschaft informiert, ein ganz klares Indiz dafür, dass doch nicht alles so eitel Sonnenschein ist, wie er in seiner Wahlkampfrede fantasiert hat. Arbeitsplätze für sieben Jahre und Weihnachten gerettet, aber dann hörte der Informationsfluss schon auf. Werden die Mitarbeiter denn dann Rewe und Edeka zugeteilt, zu gleichen Konditionen wie vorher? Bloß keine Details verraten, dann könnte der selbstpolierte Ego-Glanz nämlich gleich wieder aufhören zu glänzen und auch bloß nicht erzählen, dass nun wahrscheinlich alle Mitarbeiter dankbar sein und gleich ihr Stimmrecht abgeben müssen.

Sigmar Gabriel ist ein typischer viel Schein – wenig sein Minister: Letztes Jahr tauchten Bilder im Internet kurz vor Weihnachten auf, ganz zufällig natürlich, wo man ihn beim Verteilen von Geschenken in einem Kinderheim zeigte. Natürlich mit eigenem Fotografen und Kamerateam im Schlepptau. Jetzt nach langer, langer Durststrecke kann er endlich mal wieder etwas Positives vermelden und inszeniert sich gleich als Wohltäter und Wahlkämpfer in einer Person.

Für einen Minister sollte es selbstverständlich sein, dass er sich für die Arbeitsplätze deutscher Bürger einsetzt. Komisch nur, dass es zu einem Zeitpunkt kommt, wo die SPD mit ihren Umfragewerten am Tiefpunkt ist und nächstes Jahr die Wahl ansteht, noch Zeit genug also um sich auf sich selbst zu berufen. So muß der barmherzige Sigmar sich auch nicht mehr dazu äußern, dass Deutschland Waffenlieferant Nummer 1 ist, warum so viel in unsichere Länder exportiert wird und warum die SPD trotz so vieler schlauer Ideen die Bürger weniger erreicht, als die AfD.

Welche Schande für Sigmar Gabriel, jetzt noch Wahlkampf auf Kosten von 15.000 notleidenden Mitarbeitern und deren Schicksal zu machen. Wo war er nur als Neckermann ( 2.000 betroffene Mitarbeiter ), Schlecker ( über 11.000 betroffene Mitarbeiter ), Hertie, Woolworth, Nokia, Opel etc. vor die Hunde gegangen sind? Wo ist er für die deutschen Milchbauern da? Wo hat er sich für die maritime Wirtschaft eingesetzt, welche seit Jahren den Bach heruntergeht? Ganz einfach: wahrscheinlich war da gerade kein Wahlkampf oder er musste kurz darauf seine Nebeneinkünfte offenlegen, dann wären seine Lobbyistengeschäfte aufgeflogen.

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